Schleswig-Holsteinischer ZahnÄrztetag 2007:
»Implantologie beim Praktiker - was geht?«

3. März 2007 | 8.30 - 17 Uhr | Neumünster | Holstenhallen

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Komplikationen in der zahnärztlichen Implantologie

Wolfram Knöfler

In den siebziger Jahren sollten Implantate ca. 5 Jahren funktionsfähig bleiben. Heute geht man davon aus, dass über 97% der Implantate einheilen und nach 10 Jahren noch mehr als 80% der Implantate komplikationsfrei in Funktion sind.

Das trifft sonst nur für wenige andere Bereiche des zahnärztlichen Handelns zu, setzt allerdings ein hohes Maß an Fortbildung und Teamwork voraus. Minderwissen und fehlende Fortbildung führen zwingend zu niedrigeren Erfolgszahlen.

1. Ursachen des Misserfolges

In jeder Phase des Behandlungsablaufes können Handlungen des Zahnarztes, Handlungen oder Zustände des Patienten oder materialbedingte Einflüsse zu Komplikationen führen. Die Fehler durch den Behandler überwiegen.

Patientenseitig stehen mangelnde Hygiene oder mangelndes Verständnis für die Komplexität der Behandlung im Vordergrund. Die kritiklose Auswahl solcher Patienten für Implantatversorgungen muss letztendlich wiederum dem Behandler angelastet werden.

Auch durch die verwendeten Implantatmaterialien sind Misserfolge möglich, wenn diese einerseits in sich Konstruktionsfehler aufweisen oder aber unsachgemäß behandelt werden.

1.1 Beratung und Aufklärung

Die Beachtung des Erstgespräches mit dem Patienten, die anamnestische Erhebung internistischer Befunde, des Hygieneverhaltens und die Beobachtung lokaler anatomischer und funktioneller Gegebenheiten sind ausschlaggebend für die weitere Gestaltung der Therapie. Hierzu gehört auch die Einschätzung der Begriffsfähigkeit und Mitwirkungsbereitschaft des Patienten, da auch als Kontraindikation gewertet werden muss, wenn jemand die Besonderheiten der Therapie hinsichtlich Dauer, Komplexität, Pflegeaufwand und Recall nicht verstehen will oder kann. Ebenso von Bedeutung ist die genaue Dokumentation der Wünsche und
Vorstellungen des Patienten, der Ergebnisse der Untersuchung und die
darauf aufbauende Beratung und Aufklärung des Patienten über die mit ihm gemeinsam geplante Behandlung und die möglichen Alternativen.

1.2 Diagnostik

Die exakte Erfassung der anatomischen Strukturen, insbesondere des knöchernen Implantatlagers und die Übereinkunft mit dem Patienten über das Therapieziel sind für die Abschätzung des Gesamtrisikos und für die Komplikationsprophylaxe außerordentlich wichtig. Hier entscheidet es sich, ob mit einer Standardsituation zu rechnen ist oder ob umfangreiche, implantatlagerbildende Maßnahmen zuvor oder im Zusammenhang mit der Implantatinsertion durchgeführt werden müssen. Je aufwendiger die Operationstechnik, je mehr Materialien (Augmentate, Membranen, Implantate, Membrannägel usw.) eingesetzt werden, desto größer ist das Risiko einer Komplikation.

Dieses ggf. erhöhte Risiko muss mit dem Patienten besprochen und dokumentiert werden (Aufklärung) und es ist notwendig, die spezielle Einwilligung des Patienten zu dem beabsichtigten Eingriff einzuholen.
Eine Standardsituation liegt hingegen dann vor, wenn das gewählte Implantat am Orte der Implantation allseits von Knochen umgeben ist und ein ausreichender Abstand (1-2 mm) zu schonungspflichtigen anatomischen Strukturen erwartet werden kann.

1.3 Planung

Implantate sind Hilfsmittel zur Umsetzung eines prothetischen Zieles bzw. lassen dieses Ziel überhaupt erst möglich werden. Diesem Konzept ordnen sich Standort und Anzahl der Implantate unter. Grundsätzlich ist es heute möglich, jede Zahnverlustsituation mit Implantaten so wiederherzustellen, dass festsitzender Zahnersatz bis hin zur Zahn-um-Zahn-Implantation hergestellt werden kann, wenn der Zahnarzt die entsprechenden Techniken beherrscht und der Patient es trägt. Gemeinsam mit dem Patienten muss also vorab das prothetische Ergebnis nach Wunsch und Möglichkeiten besprochen sein, ehe daran gedacht werden kann, die Implantatinsertion zu planen. Erst danach kann überlegt werden, wo Implantate sinnvoll sind, welcher Typ, welche Größe und wie viele unter welchen Bedingungen gesetzt werden müssen (Wax up).

2. Implantatinsertion

2.1. Anästhesie

Die Wirksamkeit und Penetration der heute verfügbaren Anasthesielösungen ist meist so beschaffen, dass auch bei der Infiltrationsanästhesie eine völlige Ausschaltung der Sensibilität erreicht wird, so dass die Angaben des Patienten nicht als Kriterium für die Schonung des N. alveolaris inferior gelten können.

2.2 Darstellung des Operationsfeldes

Die Schnittführung folgt auch bei Implantationen primär der chirurgischen Regel, dass die Naht nicht über einem Hohlraum oder darunter liegenden Osteotomiedefekten liegen sollte. Fehler bei der Schnittwahl sind nicht oder kaum zu korrigieren.

2.3 Bearbeitung des Kieferknochens

Fehlende Planung und unzureichende Vermessung führt zu Fehlstellungen oder Verletzung schonungspflichtiger Strukturen, was forensische oder prothetische Probleme nach sich zieht.

Abweichungen der Implantatstellung von der geplanten Position ergeben sich meist wegen des Verzichtes auf Wax up und Operationsschablonen und können einerseits zu Schäden an Nachbarzähnen oder benachbarten Implantaten führen oder aber eine spätere prothetische Nutzung erschweren oder gar ausschließen.

2.4 Fehlende Primärstabilität

Wenn ein Implantat keine Primärstabilität gewinnt, ist der Knochen meist inadäquat bearbeitet worden (falsche Bohrergröße, ovales Loch, unterlassene Kondensation).

3 Postoperative Komplikationen

3.1 Einheilphase

Der überwiegende Teil der Implantate geht während der Einheilphase verloren.  Das ist einerseits auf das keimbeladene Milieu aber auch auf unzureichende Kühlung bei der Insertion, unbemerkte Ostitiden, unterlassene Stabilisierung bei erkannter Instabilität oder nicht erkannte chronische Entzündung zurückzuführen.

3.2 Komplikationen bei der prothetischen Versorgung

Stellungsfehler von Implantaten sind ausschließlich auf Fehler bei der Planung und bei der Operation zurückzuführen. Ein nicht zu unterschätzendes Problem tritt auf, wenn die Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Chirurg nicht optimal abgestimmt ist. Der Zahnarzt legt aus prothetischer Sicht Zahn und Stellung der Implantate fest. Aufgabe dies Chirurgen ist es, die Bedingungen zu schaffen, damit die Implantate an den gewünschten Ort gelangen. Dazu ist es seitens des Zahnarztes nötig, die entsprechenden Planungsunterlagen bereitzustellen (Wax up, prothetisches Konzept), da nicht erwartet werden kann, dass der Kieferchirurg ahnt, was der Überweiser will.

4 Komplikationen während der Funktionszeit

Die auftretenden Komplikationen können sein
- periimplantäre Weichteilinfektionen (Periimplantitis, s. d.),
- Mucosarezessionen,
- Knochenabbau, Osteolyse,
- Implantatfrakturen,
- Lockerungen,
- Brüche von Suprakonstruktionsteilen.

Ungenügende Mundpflege des Patienten mit Belagbildung an den Implantaten, eine periimplantäre Gingivitis und Taschenbildung am Implantat können zu schmerzhaften eitrigen Schwellungen führen, die eine chirurgische Entlastung erforderlich machen. Unter Abschirmung und lokalen Spülungen sowie Drainagen ist ein rascher Rückgang zu erwarten. Nachfolgend ist eine Hygienisierung anzustreben und zu prüfen, ob die Entzündungen schon Knochenabbauerscheinungen nach sich gezogen haben. Ist dies der Fall kann mit einer operativen Revision der periimplantären Region, ggf. mit Knochenersatzwerkstoffen, autologem Knochen  und/oder Membrantechniken eine Wiederherstellung angestrebt werden.

Ein Rückgang der Gingiva ist vorwiegend im Bereich der oberen Frontzähne, Eckzähne und Prämolaren zu beobachten, wenn die Implantate als Sofort- oder verzögerte Sofortimplantate inseriert wurden und die dünne vestibuläre Knochenlamelle resorbiert wird. Dem kann nur während der Operation durch lagerverbessernde Maßnahmen vorausschauend begegnet werden. Spätere Korrekturen führen nur zu tieferen Taschen, ggf. kann ein kosmetischer Ausgleich durch Anbrennen zahnfleischfarbener Keramik geschaffen werden, wodurch allerdings Nachteile aus hygienischer Sicht erwachsen.

Implantatlockerungen können auftreten bei Implantatunterzahl, zu geringer Dimensionierung, Überlastungen durch Parafunktionen oder Okklusions- und Artikulationsstörungen, Infektionen, chronische Entzündungen oder durch Kombinationen dieser Phänomene.

Meist handelt es sich also um iatrogen verursachte Erscheinungen, die ihre Ursachen in unzureichender Planung oder Diagnostik haben und erst später wirksam werden. Man hilft weder sich noch dem Patienten, wenn z.B. die Zahl der Implantate aus Kostengründen reduziert wird oder Implantate inseriert werden, obwohl funktionelle Störungen noch nicht austherapiert sind oder die Mundpflege zu wünschen übrig läßt. Einmal lockere Implantate werden nicht wieder fest und müssen entfernt werden.

Implantatbrüche treten relativ selten auf und sind meist auf Stellungsfehler (s.o.) oder Fehler bei der Gestaltung der Suprakonstruktion bzw. auch Zerstörung des Pfeilerzahnes bei zahn-implantatgetragenen Konstruktionen  zurückzuführen.

5. Nachsorge und Recall

Letztendlich muss davon ausgegangen werden, dass Implantate und implantatgetragene Konstruktionen wie auch jedes andere Therapiemittel des Zahnarztes nach einer gewissen Funktionszeit insuffizient werden (Graf et al, 1989). Allerdings lässt die Literatur der letzten Jahre vermuten, dass Implantate länger funktionieren als alle anderern Therapiemittel, die dem Zahnarzt zur Verfügung stehen.

Wenn sich die Erwartungen an die Funktionszeit von Implantaten auch deutlich verbessert haben, muss trotzdem deren Verlust einkalkuliert und müssen Folgemaßnahmen ins Auge gefasst werden. Um die Funktionszeit möglichst zu verlängern ist ein konsequentes Recall erforderlich, das anfänglich vierteljährlich, später halbjährlich durchgeführt werden sollte. Entscheidend hierfür ist die eigene Aktivität und die Mitarbeit des Patienten hinsichtlich Pflege und Termintreue .


Dr. med. habil. Wolfram Knöfler


Gemeinschaftspraxis
Dr.W.Knöfler/Dr.H.Ecke/ Dr. A. Knöfler
Rietschelstr.27
D-04177 Leipzig
e-mail: knoeflerimplantis.de

 

Literatur:

Dietrich, U.; P.Skop, R.Lippod, Th. Dirmeir, N.Behneke, W.Wagner: Statistische Ergebnisse zur Implantatprognose am Beispiel von 2017 IMZ-Implantaten unterschiedlicher Indikation der letzten 13 Jahre. Z.Zahnärztl.Implantol IX,9-18(1993)

Knöfler, W., A. Knöfler, H.-L. Graf: Die Überlebenswahrscheinlichkeit von Implantaten in einer zahnärztlichen Praxis im Zeitraum von 10 Jahren. In. Z. Zahnärztl. Implant. 29, (2004) 4, 230 – 246.

 

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